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Der wundersame Hirsch

Es lebte einmal eine Familie, die Besen band in einer Hütte vor dem Walde. Alexis und Benja hatten zwei Kinder und waren wohl sehr arm, aber rechtschaffen und fleissig. Jeden Morgen gingen sie, zusammen mit den Kindern Friedel und Keke, in den Wald hinaus und suchten Ginster und Reisig, um ihre Besen zu binden. Eines Tages wurde Alexis aber krank und starb. Da stand Benja ganz allein mit den beiden kleinen Kindern. Wenn Benja tief im Wald zu arbeiten hatte, konnten die Kinder oftmals nicht mit. Doch wollte Benja sie auch nicht allein zu Hause lassen. So lernte Benja bald Marin kennen und die beiden heirateten, um die Kinder zu versorgen und weil Benja glaubte, dass Marin gut zu ihnen sei. Aber Benja hatte sich geirrt. Anstatt den Kindern rechtschaffen zu schauen, hatte Marin böse Pläne. Das jüngere Kind, Keke, konnte Marin bald nichts mehr richtig machen. Friedel, das ältere Kind, wusste schon zur Hand zu gehen im Haus und beim Besenbinden oder es konnte die Geissen hüten. Aber Keke war Marin überall im Wege. Darum tat Marin Friedel alles Gute an, Keke aber behandelte Marin schlecht. Marin redete Friedel ein, dass es am besten wäre, wenn Keke gar nicht da wäre, und dass sie es alle besser hätten, wenn sie Keke nicht zu ernähren und zu kleiden brauchten. Und alles was sie ausgäben für die Kleider von Keke, das würde Friedel dann noch dazu bekommen. Friedel war ein hoffärtiges Kind und darum liess es sich von Marin leicht etwas vorreden.

 

So überlegten die beiden, wie sie Keke los werden könnten. Sie nahmen sich vor, in den dichtesten Wald zu gehen, ganz tief hinein, um Pilze zu pflücken und Beeren zu suchen und Holz für den Winter aufzulesen, Knüppelholz und Heckenreiser. Dann wollten sie Keke noch tiefer in den Wald hineinschicken und unterdessen fortlaufen. Auf diese Weise hätten sie Keke ja nichts zuleide getan und wären es doch losgeworden, ohne dass Benja ein Arg hätte. Keke stand aber gerade vor der Stubentür und weil das arme Kind nichts Gutes ahnte, lauschte es heimlich an der Tür, dass Marin und Friedel etwas Böses mit Keke vorhatten. Nun wusste Keke nicht was anfangen, wenn die beiden es einmal tief im Wald gelassen haben würden. In der Not, dachte Keke das arme Kind, es wolle zu den Nachbarn laufen; Diese waren die Familie von Alexis und die würden Keke schon helfen. Wie nun Keke alles erzählt hatte, sagten diese: «jetzt weine nicht, Kind, nimm dir ein Säckel voll Sägemehl, dass bindest du unter deine Kleider, damit es niemand sieht und wenn ihr morgen in den Wald geht, so streust du das Sägemehl heimlich hinter dir her, dann findest du den Weg zurück. Geh schön sachte hinter den beiden anderen her, dann werden sie nichts merken und wenn sie dich im Stich lassen, dann gehst du immer dem Sägemehl nach, bis du nach Hause kommst.»

 

Das Kind machte es so, wie ihm geraten wurde. Als sie am anderen Morgen im Walde ein Stück gewandert waren, rasteten sie auf einem moosigen Felsen und assen ihr Brot und pflückten sich ein paar Beeren. Auf einmal sagte Marin zu Friedel: «Mich beisst es so auf dem Kopf! Lause mich einmal! Während der Zeit kann Keke ein Stück des Weges weiter gehen, den Hang hinunter und kann dort ein Bündel Reisig für uns suchen. Wir tragen es dann zusammen heim.» Wenn auch Marin Keke schön tat, so wusste das Kind doch längst, was die beiden vor hatten. Keke gehorchte dennoch und ging Reisig suchen. Dabei streute Keke aber heimlich weiter das Sägemehl hinter sich, so wie die Familie von Alexis geraten hatte. Dann sammelte Keke das Holz ein und als die beiden anderen nicht nachkamen, nahm es seine Tracht auf den Kopf und schleppte sie zu dem Felsen, an dem sie zusammen gegessen hatten. Aber Marin und Friedel waren weg, gerade so wie das arme Kind vermutet hatte. Da ging Keke seinen Weg weiter, immer dem Sägemehlspuren nach und kam wieder glücklich nach Hause. Keke warf den Reisigbündel in den Schuppen und ging in die Küche.

 

Als Marin und Friedel das zurückgekommene Kind sahen, sprangen sie in die Kammer und sagten leise: «Keke ist wieder da. Wir müssen morgen noch tiefer in den Wald; diesmal müssen wir tiefer hinein, an eine ganz fremde Stelle, dann findet Keke nicht mehr heim.» Keke, das schlaue Kind, hatte aber an der Tür gelauscht, denn es war mit der Zeit gewitzt worden und wieder ging das Arme Kind zur Familie von Alexis, um sich mit ihr zu beraten. Da sprachen sie zu Keke: «Wir sehen ja, dass die beiden keine Ruhe geben, bis sie dich los sind. Wenn das Alexis wüsste, würden noch im Grabe die Tränen fliessen. Nimm dies Säckchen Haferstreu und streu es genau so wie das Sägemehl hinter dich, dann wirst du auch diesmal nach Hause finden.» Als Keke wieder daheim war und alle beim Nachtessen sassen, sagte Marin: «Morgen gehen wir wieder in den Wald. Wir wollen Pilze suchen, die goldgelben Pfifferlinge wollen wir suchen. Darum müssen wir tiefer in den Wald hinein gehen.» Keke wusste aber, was das bedeuten sollte. Doch das tapfere Kind hatte keine Angst, es kniete an sein Bett und sprach zu Alexis, damit es gut beschützt ist.

Am anderen Morgen gingen sie wieder in den Wald. Marin und Friedel gingen voraus und waren beide ganz vergnügt. Aber Keke, das arme Kind, ging traurig hinterher und dachte nach, was es denn getan hätte, dass Marin und Friedel so hässlich gegen es waren und warum es so überflüssig wäre in dieser Welt. Als sie im Walde waren, setzten sie sich wieder auf einen Felsen und assen ihr Brot. Dieses Mal sagte Marin: «Es beisst mich so am Bein, komm Friedel, da muss ein Floh in meinem Strumpf sein, den musst du mir fangen. Du hast bessere Augen und flinkere Hände als ich.» Friedel kniete sich hin, um Marin den Floh zu fangen und Keke wurde derweil wieder tief in den Wald geschickt, um trockenes Holz aufzuheben. Keke ging und suchte Holz zusammen und machte es mit dem Haferstreu wie am Tag zuvor mit dem Sägemehl. So kam Keke am Abend wieder nach Hause.

 

Da wurde Marin zornig und sagte zu Friedel: «Ich möchte wissen, wer da seine Hand im Spiel hat. Dieses Mal darf es nicht mehr schief gehen, koste es, was es mag.» Das hörte Keke wieder, lief schnell zur Familie von Alexis und bat um Hilfe. «Das liederliche Pack», rief die Familie aus. «Sei ruhig, wir wollen dir helfen. Wir haben aber jetzt gar nichts zur Hand, als dieses Säckchen Hanfsamen; das kannst du mitnehmen und auf dem Weg streuen.» Dabei überlegte aber Alexis Familie nicht, dass dies ein schlechter Rat war.

Genau so wie am Tag vorher, zogen sie auch am nächsten Morgen wieder in den Wald; sie setzten sich um Mittag auf einen Baumsturzen und assen ihr Brot und Friedel musste Marin wieder Lausen und Keke musste noch tiefer in den Wald. Aber Keke ging mutig den Weg und streute den Hanfsamen, ahnte aber nicht, wie wenig dies helfen würde. Das merkte das arme Kind erst, als es sich wieder auf den Heimweg machen wollte. Denn da sah es gerade noch, wie die Vögel vor ihm die letzten Körner aufpickten. Keke fand nun den Heimweg nicht mehr und fing bitterlich zu weinen an. Als das Kind sah, dass die Bäume dort, wo eine Lichtung war, schon lange Schatten warfen und es zu dämmern begann, sprach es zu Alexis und fürchtete sich sehr vor den Raubtieren. Und weil es ein kluges Kind war und klettern konnte wie ein Eichhörnchen, stieg es auf einen Baum, um Umschau zu halten, ob es noch tief im Wald war oder ob es vielleicht ein Dorf oder Gehöft sehen könnte. Aber es war weit und breit nichts zu sehen. Da merkte es auf einmal, wie ganz ferne, mitten im Wald, ein feines Rauchsäulchen aufstieg, so dünn wie ein Faden. Nun lief es schnurstracks durch den Wald, dorthin, woher der Rauch kam. Da war ein hoher, hohler Felsen, der war mit einer Wand aus Reisig verschlossen, nur eine kleine Tür war zu sehen. Keke klinkte die Tür auf und hörte eine Stimme: «Wer ist da?» Da antwortete Keke:» Ei, ich, Keke» und bat um ein Nachtlager. Die Stimme sagte: «Du darfst nur herein, wenn du mir versprichst, dass du dein Lebtag lang bei mir bleiben willst und dass du niemanden hereinlässt und mich nicht verrätst.» Das ängstliche Kind versprach alles, nur damit es hinein durfte, ehe die Nacht kam, denn es war schon duster im Walde. So trat es ein, doch kein Mensch war zu sehen, sondern nur ein grosser Hirsch lag hinter dem Ofen. Keke erschrak und wollte schon wieder fortlaufen. Da redete der Hirsch aber mit einer Stimme wie ein Mensch und weil der Hirsch so gute Augen hatte, verlor Keke die Furcht und ging zu ihm hin. Er hob sein riesengrosses Geweih und sprach: «Du hast weiter nichts zu schaffen bei mir, als mich jeden Morgen und jeden Abend vor Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu melken. Die Milch kannst du trinken und wenn du nie jemanden hereinlässt, nicht einmal deine leibhaftige Familie, dann hole ich dir Kleider aus Samt und Seide, soviel du dir nur wünschen kannst und schöner, als du sie je gesehen hast. Wenn du mich aber jemals verrätst, dann ist es um unser Glück geschehen.» Keke versprach alles und legte sich in das Bett, das in der Ecke stand. Das müde Kind fiel in die Daunen als wie eine Wolke und schlief ein und erwachte nicht eher, bis die Sonne schien. Dann molk es getreulich den Hirsch und der ging auf die Weide und kam erst abends wieder. Er hatte Kleider mitgebracht, so schön, dass Keke staunte und sich sehr verwunderte. Keke kam sich ganz edel vor. So lebten sie glücklich und zufrieden miteinander in dem hohlen Felsen und die Jahre gingen hin, als wenn es nur Tage wären.

 

Inzwischen war Friedel verständiger worden und da überlegte sich das Kind, dass es doch sein eigenes Geschwister ins Elend gebracht hätte und es fühlte bittere Reue und Heimweh. Eines schönen Tages sagte es zu seiner Familie, es wolle Holz holen im Walde. Da ging Friedel tief in den Wald hinein, immer tiefer und tiefer und bald verlor sich der Weg zwischen Farnkräutern und Gesträuch. Da wurde das reuige Kind müde, denn es lief wie in einem Irrgarten und es legte sich hin und schlief ein. Aber vorher sprach Friedel zu Alexis, dass geholfen möge; denn jetzt spürte es am eigenen Leibe all die Not und Angst, die dem Geschwister zugefügt worden war. Als Friedel wieder erwachte, da war es schon ganz duster und dämmerig im Walde. Nun fing Friedel an zu weinen und zu klagen und bat um Hilfe, wie ein Kind noch nie um Hilfe gebeten hatte. Da kam Friedel, so innig wie Keke, der Gedanke, dass einmal von einem Baum herunter Ausschau gehalten werden sollte, ob kein Haus oder Dorf zu sehen wäre. Aber ausser einem dünnen Rauchschwaden sah das Kind nichts. Friedel ging nun genau wie Keke in der Richtung weiter und kam auch an den grossen Felsen und klopfte an die Türe. Wie sehr das Kind aber auch rüttelte und klopfte, die Tür blieb verschlossen und niemand antwortete. Da ging es weiter, bis es an einen grossen, hohlen Eichbaum kam. In der Höhlung legte sich Friedel schlafen, denn die gab guten Schutz für die Nacht. Am anderen Morgen stand Friedel auf und ging gegen die Sonne zu und gelangte wieder an den Felsen und weil das reuige Kind noch müde und hungrig und ängstlich war und weil es den Weg nicht mehr wusste, ging es an die Tür, rüttelte daran und bat und bettelte, man solle es doch, der Barmherzigkeit willen, herein lassen. Es wäre ein Kind und hätte sich im Wald verirrt.

Da erkannte Keke an der Stimme, dass es Friedel war, aber Keke dachte an das Versprechen und machte nicht auf und sagte: «Ich darf keine Menschenseele rein lassen, wenn ich es auch tun wollte. Nicht mal meiner leibhaftige Familie darf ich die Türe aufmachen, darum geh wieder fort, denn wenn ich nicht gehorchen würde, so würde uns allen ein grosses Unglück geschehen.» Da jammerte Friedel und weinte, dass es selbst ein Stein erweicht hätte. Keke aber war ein gutherziges Kind und konnte dem Flehen und Bitten von Friedel nicht weiter, nicht länger widerstehen. So öffnete Keke zuletzt doch die Tür und liess Friedel herein. Als Friedel nun in die Felsenhöhle kam, sah das einsame Kind, dass das andere Kind sein Geschwister war und bat Keke um Verzeihung wegen des vielen Leids, das Friedel ihm angetan hatte. Aber Friedel konnte sich nicht satt sehen an den schönen Kleidern von Keke. Sie setzten sich zueinander auf die Ofenbank und fingen zu erzählen und fragen an. Keke erinnerte sich immer wieder an das Versprechen, suchte allerlei Ausreden und sagte, dass hier auch ein Bär wohne. Das wollte aber Friedel nicht glauben. «Bei einem Wolf», sagte Keke. Das glaubte Friedel noch weniger. Und das ältere Kind schmeichelte seinem jüngeren Geschwister so lange, bis das Keke alles erzählte. Als Keke sich aber verraten hatte, wurde das arme Kind sehr traurig, denn es musste an das Versprechen denken, das es dem seltsamen Hirsch gegeben hatte.

 

Auf einmal wurde Friedel neidisch auf Keke, denn Friedel hätte auch gern so schöne Kleider gehabt und sagte: «Führe mich ein Stückchen Wegs, damit ich nach Hause finde.» Als Friedel Daheim war, fand es kein Ende mehr, von dem seltsamen Aufenthalt bei Keke zu erzählen und von den schönen Kleidern und da Friedel alles erzählt hatte, wurde Marin gelb vor Neid und sagte: «Wir gehen morgen in den Wald und suchen den Felsen. Dann holen wir Keke mitsamt Hirsch und allen schönen Kleidern. Die schönen Kleider nehmen wir für uns, den Hirsch aber wollen wir schlachten.»

 

Als der Hirsch am Abend heim kam, war er sehr betrübt. Doch er sagte nichts, legte sich hinter den Ofen und tat, als ob er schliefe. Keke aber wagte kaum vor Scham und Reue den Hirsch nicht anzusehen. Auf einmal musste das reuige Kind ihn aber doch fragen: «Warum bist du so still heute Abend, lieber Hirsch?» «Wie soll ich nicht schweigen», antwortete der Hirsch, «wenn du so viel geredet hast? Du hast mein Gebot nicht befolgt und jetzt ist alles zu Ende! Alles ist verloren für uns beide und du hättest mich doch erlösen können. So muss ich für immer sterben und du musst in dein altes Elend zurück. Marin und Friedel werden dich holen und ich kann dir nicht mehr helfen, denn sie werden mich töten.» Da weinte Keke die ganze Nacht und der Kummer wollte dem reuigen Kind schier das Herz abdrücken. Das konnte der Hirsch nicht mit ansehen und er tröstete Keke und sagte: «Wenn ich jetzt für dich sterben muss, wird sich alles zu deinem Glücke wenden. Wenn mich Marin getötet hat, dann sage, du hättest drei Dinge zu begehren: mein Herz und mein Geweih und den Huf von meinem linken Hinterfuss. Darauf legst du mein Herz in die Erde; dann pflanzt du mein Geweih darüber ein, dass es schön fest und gerade steht und hängst an seine oberste Gabel den Huf. Wenn du nach drei Tagen wieder an mein Grab kommst, wird da ein Baum mit ganz dunkelroten Kirschen stehen, die haben eine Form wie mein Herz. Sie bleiben im Sommer und im Winter am Baum hängen. Kein Mensch kann sie pflücken, nur du allein. Diese Kirschen aber, die aus meinem Herzen wachsen, werden dich zum reichsten und glücklichsten Menschen des Landes machen.

 

 

Am anderen Tag kamen wirklich Marin und Friedel in den Wald zur Felsenhöhle und holten Keke heim; und sie führten auch den Hirsch davon. Der ging willig mit, wiewohl er sich doch hätte wehren können, denn Marin war böse und hatte ihn verzaubert, dass er tun musste, was Marin wollte. 

 

Am nächsten Tag liess Marin den Hirsch in der Jägerei mit einem Speer töten. Als der Hirsch tot war weinte Keke von ganzem Herzen, aber Keke vergass doch dieses Mal nicht, die guten Lehren zu befolgen, die der Hirsch gegeben hatte. Das arme Kind liess sich das Herz, das Geweih und den Huf geben, legte das Herz in die Erde, pflanzte das Geweih drauf und hing an die letzte Gabel den Huf. Als es nach drei Tagen wieder an den Platz kam, wo der arme Hirsch begraben lag, stand da ein Baum mit Kirschen, so rot und so dick, wie ein kleines Herz, so schön, wie sie noch kein Mensch je gesehen hatte.

Eines Tages – Es war tiefer Winter und es lag schon hoher Schnee, kamen Reisende, Erin und Tomke,  an dem Garten vorbei, in dem der Baum mit den wundersamen Kirschen stand. Sie kamen von einer langen Reise zurück und Tomke war krank und kein Mensch wusste zu heilen. Weil es nun so bitterkalt war, wollten sie sorgen, dass sie noch vor der Nacht bis auf die Burg Falkenstein kamen. Als sie mitten im Schnee die grossen Kirschen am Baume hängen sahen, rief Erin aus: «Das ist etwas Wunderbares; vielleicht könnten die Kirschen Tomke Heilung bringen!» Und im gleichen Augenblick verlangte auch Tomke danach. Erin ging an den Gartenzaun und rief in die Küche, man möge doch einige von den Kirschen geben. Friedel kam aus der Türe und wollte die Kirschen vom Baume langen. So oft Friedel aber die Hand ausstreckte, stellten sich alle Zweige hoch und waren so störrisch wie ein Reisigbesen. Keine einzige Kirsche liess sich abbrechen. Da kam Marin aus dem Hause. Als Marin an dem Ast rühren wollte, gingen alle Zweige ineinander wie Dornen und zogen sich ganz in die Höhe. Nun wunderte sich Erin und fragte, ob denn sonst niemand im Hause wäre. Marin und Friedel sagten beide, es wäre niemand mehr da, der die Kirschen pflücken könnte. In demselben Augenblick kam aber Keke gerade aus dem Hause heraus und Erin fragte, ob dieses Kind die Kirschen nicht brechen wollte. «Das will ich gerne tun», sagte Keke und ging an den Baum und schon neigten sich die Zweige von selbst herunter und die Kirschen fielen in die Hand. Da glaubte Tomke, Keke wäre ein Wunder, und ass die Kirschen und ward sogleich gesund. Darüber war Erin von Herzen froh und sagte: «Zum Dank sollst du mit uns kommen.» Aber Keke wollte nicht, da das Kind sich vor den fremden Menschen fürchtete, denn es war doch arm und für nichts auf der Welt. Aber die beiden Reisenden bestanden darauf, denn Tomke wäre doch von ihren Kirschen gesund geworden und darum müsste Keke mit ihnen mit, dem armen Kind würde es nie mehr an etwas fehlen.

 

Da erzählte Keke Erin die ganze Geschichte und weinte, weil der liebe Hirsch auf solche Weise hatte sterben müssen, auf so falsche und elende Art.

 

Tomke schenkte Keke einen Ring mit einem Karfunkelstein, auf dem war das Wappen derer von Falkenstein eingeschnitten. Sie erzählten Keke, dass ihnen das Land gehöre und dass das Kind nun zu ihnen gehöre. Dann nahmen sie Keke mit in die Kutsche. Marin aber wurde ganz grün vor Neid und Zorn. Bevor sie wegfuhren, holte Keke schnell noch Benja und gemeinsamen fuhren sie in der Kutsche mit. Nun ging es in die Burg Falkenstein und da wurde ein Fest gefeiert, so schön und prächtig, wie man noch keines gesehen hatte. Keke liess Benja in der Burg in einer schönen Stube wohnen, verzieh auch Friedel; Marin liess Erin verbrennen. Dann befahl Erin, dass in diesem Land nie mehr ein Hirsch getötet werden dürfe und dass man im ganzen Lande Herzkirschen anbauen solle; und seither wachsen sie dort überall bis zum heutigen Tage.

 

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